SPEX 03.2003 - CARSTEN SANDKÄMPER

Es ist eine Schande. Da bastelt sich Billy Corgan aus den Ruinen der Smashing Pumpkins und Veteranen wirklich toller Bands eine neue Formation zusammen, und weiß nichts Besseres damit zu produzieren, als diese langweilige Scheiße? Man kennt sich von früher, heißt es in der Legende zur Entstehung von Zwan. Matt Sweeney, früher Gitarrist bei Chavez, hatte irgendwann mit Billy Corgan abgemacht, eine Band zu gründen. Vor den Pumpkins, ihrem Welterfolg mit »Siamese Dream« und der darauffolgenden weltweiten Karriere von Corgan, D'Arcy und ... , der zuerst Drummer Jimmy Chamberlin wegen Drogen, später die gesamte Band wegen Corgans Ego zum Opfer fallen sollte. Jimmy ist heute wieder da, hat mächtig geübt und erinnert sich zusammen mit Sweeney, Corgan, ex-Slint-Gitarrist David Pajo (was hat den bloß hierhin getrieben? Verzweiflung? Geldnot?) und Paz Lenchantin (sonst bei A Perfect Circle) an bessere Zeiten. Als Grunge noch nicht ausgedient hatte. Als noch jede 17-jährige mit verträumtem Blick zu »The killer in yoooo is the killer in miiiii« über die Tanzfläche der Indie-Disco flatterte. Und es bleibt nicht bei dieser Erinnerung. Old men still rock, versuche ich die ganze Zeit aus dem Kopf zu verdrängen, schließlich spielt sich hier eine ganze Handvoll jüngere Rock-Geschichte ... um Kopf und Kragen. Es ist kaum zu glauben, mit welcher Konsequenz Billy Corgan bei Zwan jegliche Form von Neuheit, Innovation mag man ja gar nicht verlangen, blockiert. Das immer gleiche Schema, das endlose Zelebrieren von gezügelter Strophe und »total rockigem« Refrain. Back to the 90s. Und zwar auf die unangenehme Weise. Eine erschreckende Aneinanderreihung erzkonservativer Rocksongs, deren Durchschlagskraft hörbar von der Band selbst angezweifelt wird. Hier und da ein paar Beatles-Tabulaturen nachgespielt, die Weezer-Brille aufgesetzt, weil: ist ja lustig. Gute Ideen werden durch ihre Verbannung in die Endlosschleife entzaubert. Wo sind die interessanten Wendungen? Da wirkt das ungestüme Rumgepose im Finale von »Jesus I/Mary Star Of the Sea« wie ein Offenbarungseid ob der Ziellosigkeit des gesamten Projekts. Sogar im Platteninfo steht der bezeichnende Satz »Dementsprechend wartet bei Zwan kein Kulturschock auf den Hörer.« Das Gegenteil hatte man allerdings auch nicht erwartet. Dabei hatte man so gehofft, es würde nett werden. Schon lange vor der Platte war auf der offiziellen Website der Band beeindruckend offen mit den Fans kommuniziert worden, Konzertbootlegs wurden getauscht, Konzertmitschnitte gestreamt. Alles so sympathisch. Seltsam wurde es, als die Promoexemplare mit Watermark bei uns eintrafen. Von wegen sympathisch-eigenbrödlerisches Indie-Ding. Mir stellt sich bei dieser Platte nun ganz ehrlich die Frage, ob sich Corgan mit dem Line-Up von Zwan seine Credibility zurückkaufen wollte. Um gleichzeitig mit der gähnenden Leere von »Melon Collie And The Infinite Sadness« weiterzumachen... Ein böser Vorwurf, klar. Ist aber auch eine böse Platte.